Enterprise-Resource-Planning

Die gezielte Integration von Standard- und Individualsoftware

Individualität als bester Standard

Der Siegeszug der Standardsoftware ist nicht aufzuhalten, doch auch die Individualsoftware erlebt eine Renaissance. Alternativ zum oft komplizierten Customizing von Standardsoftware entstehen heute in Projekten individuelle Lösungen, die sogar preisgünstiger sein können. Die gezielte Integration von Standard- und Individualsoftware etabliert sich als Königsweg zur bedarfsgerechten, wandlungsfähigen und integrierten Installation.

Mit modernen Prüfmitteln und Testmethoden untersucht das Center for Quality Engineering der SGS Germany GmbH in München Produkte wie Telefone, Toaster und Traktoren auf Alltagstauglichkeit, elektromagnetische Verträglichkeit und Produktsicherheit. Das in der SGS-Gruppe eingesetzte SAP-ERP-System eignet sich nur am Rande als Arbeitsmittel für die Ingenieure, die auf 5.500 Quadratmetern prüfen, testen, verifizieren und zertifizieren.

Die rund 120 Mitarbeiter nutzen seit mehr als zehn Jahren ein individuell programmiertes „Labormanagementsystem“, um die Projektsteuerung, die Messmittelverwaltung, die Erstellung der Prüfberichte und andere Arbeitsabläufe wirksam zu unterstützen. Standortleiter Philipp Zinnkann betont, die flexible und rasche Anpassbarkeit der Software sei „ein unschlagbarer Vorteil“. Bei der permanenten Weiterentwicklung des „lebendigen Systems“ und der Anpassung an immer neue Herausforderungen arbeiten die münchner Ingenieure eng mit der auf Software für Prüflabore spezialisierten Dacore Datenbanksysteme AG aus Heroldsberg bei Nürnberg zusammen.

Am Beispiel dieses Anbieters lassen sich einige Veränderungen im Bereich der Programmierung von Individualsoftware gut aufzeigen. In den ersten Jahren nach der Gründung 1998 erhielt jeder Kunde eine komplett individuell für ihn gestrickte Prüflaborsoftware. Inzwischen ist das anders. Kunden können mit einem „Startpaket“, dem „TestLabPlus 025“, die wichtigsten typischen Prozesse in einem technisch-physikalischen Prüflabor unterstützen. Das Startpaket ist keine Standardsoftware, verursacht jedoch Lizenzkosten. Es hat, so der Hersteller, „einen festen Preis, ist aber flexibler und wesentlich günstiger als Standardsysteme mit üblichen Lizenzmodellen“.

Neben dem Startpaket hat Dacore rund 200 „Module“ entwickelt, zum Beispiel das Modul „Raumbelegungsmanager“. Durch die Auswahl von Modulen und durch individuelle Programmierung lassen sich Installationen jederzeit nach Bedarf erweitern, adaptieren und mit sonstiger Standardsoftware verknüpfen. Sehr viele Anbieter von Individualsoftware bieten heute Programme, Module oder Komponenten an, die keine Standardprodukte darstellen, jedoch die Idee der Wiederverwendbarkeit und Kosteneinsparung in die Individualprogrammierung einbringen.

Fortschritte in der Softwaretechnik
Die als teuer, riskant und inkompatibel abgeschriebene Individualsoftware erlebt eine Renaissance. Langwierige und kostenintensive Projekte mit unsicherem Ausgang gehören der Vergangenheit an. Stattdessen nutzen neue und alte Individualsoftwarespezialisten die neuesten Errungenschaften der Softwaretechnik.

Christoph Bröker, Geschäftsführer der Cobitec Business Solutions GmbH in Harsewinkel, verweist nicht nur auf heutige Entwicklungstools, mit deren Hilfe Individualsoftware schnell zu programmieren sei, sondern auch auf wesentliche Vereinfachungen beim Zugriff auf Datenbanken. Früher habe man mit hohem Aufwand „selber SQL-Befehle zusammengebaut“. Um das Graphical User Interface (GUI) über lesende und schreibende Zugriffe mit der Datenbank zu verbinden, könne man heute „objektrelationale Mapper“ in einer programmtechnischen Zwischenschicht nutzen, die den Entwicklern das Leben erheblich erleichtern.
Bröker warnt Anwender aus dem Mittelstand, die sich aus Kostengründen keine neutralen Berater bei der Software-Auswahl leisten, vor dem Vertriebsgespräch mit einem Standardsoftware-Anbieter. Da werde schnell behauptet: „Eure Prozesse bilden wir ab. Kein Thema, das kriegen wir hin.“ Wenn dann kein vernünftiges Pflichtenheft und kein klarer Vertrag existiere, komme es rasch zur Eskalation und zur Kostensteigerung. Denn oft sei die Anpassung von Standardsoftware an individuelle Anforderungen „nicht so einfach“, Kunden seien immer wieder erstaunt, dass die individuelle Programmierung „im Endeffekt sogar günstiger“ sein könne, sagt Bröker.

Der Geschäftsführer der ERPwerk GmbH in Oldenburg, Ulf Klarmann, erklärt die neuen Vorteile der Individualsoftware mit dem „Bausteinprinzip“. Es gebe heute ein großes Angebot „bestehender fertiger Komponenten“, die je nach Bedarf genutzt werden könnten. Als Beispiele für nützliche Komponenten nennt der Informatiker Klarmann eine „PDF-Komponente“, ein „OCR-Modul“ und Bauteile für ein Dokumenten-Management-System wie „Ablage“, „Sortierung“ oder ein „Replikationsmodul“. Eine freie ERP-Software hat sich dagegen nicht als hilfreich erwiesen, die Entwicklungsgeschwindigkeit sei bei Nutzung dieses Rohprodukts „zu langsam“. Wesentliches Element der Entwicklung von Individualsoftware ist eine Ingenieursleistung: die Auswahl optimaler Fertigbauteile. Klarmanns Mannschaft programmiert aufgrund der „sehr großen Komponentenvielfalt und -reife“ in Delphi, der Geschäftsführer betont jedoch, dass Dot.Net hier stark aufhole. Bei Java sei indessen die Komponentenvielfalt und der Komfort nicht so hoch, weiß der Fachmann.

Individualsoftware existiert heute vor allem in folgenden Formen und Bereichen:

  • Große, über viele Jahre gewachsene Installationen insbesondere bei Großunternehmen (Telcos, Energieversorger) und im öffentlichen Bereich
  • Branchenlösungen mit sehr spezieller Charakteristik
  • Individualsoftware für Abteilungen und Bereiche von Unternehmen, die aufgrund ihrer besonderen Anforderungen mit Hilfslösungen (etwa Excel-Listen) nicht mehr weiterkommen
  • Software für Portale/Shops/Kampagnen/Kataloge und Prospekte im Internet
  • Speziallösungen für das Customer Relationship Management (CRM), Dokumentenmanagement und weitere Arbeitsbereiche, für die es auch Standardsoftware gibt


Standardsoftware mit geringer Individualisierung
Unabhängig von der Renaissance der Individualsoftware hält der schon seit rund 20 Jahren ungebrochene Trend zur Standardsoftware an. Nach der jüngsten Prognose von Pierre Audoin Consultants PAC für den weltweiten Software- und IT-Services Markt 2012 hat sich dieser Trend sogar noch verschärft. Alle Unternehmen, nicht nur die Firmen in südeuropäischen, von der Finanzkrise betroffenen Ländern, suchten nach Möglichkeiten zur „Einsparung von IT-Kosten“. Dabei setzten sie auf günstige Software: „Bei den Anwendungen werden Einsparungen zunehmend durch Software-Ablösung erzielt. Unternehmen begnügen sich immer häufiger mit der Implementierung von Standardlösungen mit geringer Individualisierung, um Kosten zu sparen.“

Für die Nutzung moderner Standardsoftware spricht sich der Präsident des Bundesverbandes IT-Mittelstand, Oliver von Grün, aus. Nicht nur große Konzerne, sondern auch zahlreiche mittelständische Software-Anbieter böten heute Standardsoftware. Der Präsident betont: „Die Grenzen zwischen Standard- und Individualsoftware verschwimmen immer mehr.“ Aus Individualsoftwareprojekten resultierten häufig Produkte, die als Standardsoftware verkauft würden. Es sei „überhaupt kein Problem mehr, Standardsoftware zu nutzen und „Individualprojekte dranzuhängen“. Der Verbandsvertreter weiter: „Das falsche Argument sollte nicht zählen, dass ein Anwender wegen der Schnittstellenproblematik auf Teufel komm raus alles von einem Anbieter beziehen müsse.“ Die in der IT-Branche über viele Jahre diskutierten Vor- und Nachteile von Individual- und Standardsoftware sind durch die technische Entwicklung Makulatur geworden. Die alte Alternative – Individual- oder Standardsoftware – ist überholt. Anstelle des Entweder – Oder erweist sich die perfekte und nahtlose Integration von Standard und Individualität als optimale Lösung.

„Ingenieursleistung wächst!“
Uwe Dumslaff, Chief Technology Officer (CTO) der IT-Beratungsfirma Capgemini, betont im Gespräch: „CIOs haben die Differenzierung zwischen Individual- und Standardsoftware aufgegeben.“ Dumslaff unterstreicht die „immer höhere Integrierbarkeit“ fertiger Bauteile unterschiedlicher Herkunft. So könne man heute eine Branchenlösung als „Framework“ kaufen, „ohne sich die Freiheit für Individualisierungen zu verbauen“. Man könne etwa 70 Prozent Standardsoftware und 30 Prozent Individualsoftware verknüpfen. Zwar bestehe noch immer das Risiko, einen „Zoo unterschiedlicher Technologien“ zu betreiben, doch bei einer nachhaltigen Ingenieursleistung (Sammlung, Auswahl und Integration von Bauteilen) sei das Risiko beherrschbar. Dumslaff weiter: „Die Ingenieursleistung wächst signifikant“.

Eine große Rolle spielen service-orientierte Architekturen (SOA), so der CTO. Die Bemühungen, „den Mix an Technologien beherrschbar zu machen“, gehen jedoch über SOA hinaus. Das Kürzel der Zukunft heißt für Uwe Dumslaff nicht SOA, sondern SOPS. Das ist die Abkürzung für „Service-Oriented Package-Based Solutions“, und diese modernen Lösungen sollen künftig die Integration von Standard- und Individualsoftware noch besser unterstützen, als das bislang möglich war.

Software- und Anbieterauswahl

Customizing oder Individualprogrammierung?
Heute ist es ein Fehler, die Software-Auswahl auf Standardsoftware-Produkte zu begrenzen. IT-Berater müssen nach Analyse der Ausgangssituation und Zielsetzung eines Anwenders in der Lage sein, anhand von Zahlen aufzuzeigen, ob eine individuelle Lösung für einige Aufgabenbereiche die bessere Alternative zum „Customizing von Standardsoftware“ sein kann.

Standardsoftware mit Möglichkeiten
Kein Anwender sollte sich für die Zukunft Optionen verbauen. Modularität und Anpassungsfähigkeit der Standardsoftware und eine service-orientierte Architektur sind von großer Bedeutung.

Software-Anbieter mit Expertise
Ein Anbieter sollte nicht nur das Customizing seiner Standardsoftware beherrschen, sondern auch die Entwicklung individueller Komponenten und deren nahtlose Integration in bestehende Lösungen. Erfahrung in ähnlich gelagerten Projekten ist von großem Wert.

Investitionsschutz und Integration
Die komplette Ablösung alter Software ist oft nicht erforderlich. In vielen Fällen lassen sich alte Systeme durch die Integration individuell programmierter Software erweitern und optimieren.

Freie Software
Alles was bereits fertig und kostenfrei zu beziehen ist, muss der Kunde nicht bezahlen. Anwender sollten darauf bestehen, dass Anbieter in einer seriösen Kalkulation nur ihre Entwicklungsleistung, nicht die verwendeten kostenfreien Komponenten berechnen.

Quelle:  www.m.itmittelstand.de

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